Vorschläge für eine 14-tägige Reise
Reise England Norden: Hexham (Northumberland) – Keswick (Lake District, Cumbria) – York (Yorkshire)
Wir haben diese Reise im Sommer 2018 unternommen und haben ganz bewusst nur 3 Stopps eingeplant, da es an allen Orten sehr viel zu sehen und zu unternehmen gab.
Anreise: Amsterdam – Newcastle mit DFDS Seaways
Abreise: Hull – Rotterdam mit P&O Ferries
Für beide Fahrten hatten wir eine Außenkabine mit Doppelbett und WC. Ich empfehle vor Internet Buchung im lokalen Reisebüro nachzufragen: oft kosten dort die Überfahrten weniger als online und/oder bieten inkludierte Extraleistungen wie kostenloses Frühstück/Abendessen, Upgrade bei der Kabine etc.
Hexham, ca. 22 Meilen (3 Übernachtungen)
In der Nähe:
Nachdem wir um 9 Uhr morgens gut ausgeschlafen im Port of Tyne in Newcastle angekommen sind und es nur 30 Minuten Fahrzeit bis Hexham sind, wollte ich mir einen großen Wunsch erfüllen und Lindisfarne / Holy Island sehen.
Vielleicht hat der eine oder andere die Serie „Last Kingdom“ gesehen oder die hervorragenden Warrior Chronicles von Bernard Cornwell gelesen? Oder Vikings geguckt?
Lindisfarne (oder Holy Island) war der erste Ort in England, der von den Wikingern überfallen wurde (793 A.D.). Der Weg dorthin ist recht abenteuerlich, da Lindisfarne eine Gezeiteninsel und nur bei Ebbe erreichbar ist. Ein Tideplan ist auf der Website der Insel zu finden und man sollte sich definitiv an die angegebenen Zeiten halten, da ansonsten die Gefahr besteht, auf der Insel (oder noch schlimmer in der Nordsee) eingeschlossen zu werden.
Die Insel ist nicht besonders groß und man kann sie bequem zu Fuß umrunden. Die größte Sehenswürdigkeit ist die Priory aus dem 12 Jahrhundert und Lindisfarne Castle.
Nach so viel Vorfreude war ich enttäuscht: Menschenmassen und Schlangen von Reisebussen drängen in den kleinen Ort der Insel und von Magie war nicht zu spüren. Aber am Nachmittag, als die meisten Touristen die Insel verlassen hatten, gab es doch noch schöne Momente und ein wunderbarer Blick auf Bamburgh Castle (= Bebbanburgh) – Uthred Fans werden wissen, wovon ich rede)
Hexham ist eine kleine Marktstadt, von uns als Ausgangspunkt gewählt, weil sie am schönsten und am besten erhaltenen Teil des Hadrian Walls liegt. Unser B&B war das Bridge House von Wendy und Peter.
Von hier kann man durch einen großen Park bis hinunter ins Stadtzentrum laufen. Essen waren wir bei Wetherspoon. Normalerweise versuchen wir diese Fast-Food Tempel zu meiden, aber in Hexham ist Wetherspoon in dem alten Forum Kino und das ursprünglich erhaltene Ambiente ist klasse (abgesehen von nicht geleerten Tischen, Essensresten auf dem Boden etc.).
In der Nähe:
Hadrian’s Wall: Deswegen waren wir ja eigentlich da. Der Hadrian’s Wall Path führt 135 km von Newcastle an der Ostküste bis zu Bowness-on-Solway an der Westküste.
Da wir im normalen Leben mehr Zeit am Schreibtisch als in der Natur verbringen, haben wir uns zwei leichte Tagesetappen gesetzt, von Housesteads bis The Sill und von The Sill bis Cawfields Quarry.
Der Hadrian’s Wall wurde AD 122 als nördlichste Begrenzung des römischen Reiches gebaut und praktischerweise fährt der Bus AD122 alle Stationen des Walls ab (Tagesticket für 5,30 GBP). Man kann also bequem laufen bis man keine Lust mehr hat und dann mit dem Bus wieder zurückfahren.
Klingt einfach, war es aber nicht: die Straße führt „eigentlich“ in einiger Entfernung parallel zum Wall, so dass man nur zur Straße laufen muss, dann rechts oder links und irgendwann findet man eine Bushaltestelle. Hm, dachten wir auch. Wir haben es aber trotzdem geschafft, uns zu verlaufen. Gott sei Dank sind die Engländer ja jeder Zeit freundlich und hilfsbereit und ein älteres Ehepaar war dann so nett, uns mitzunehmen. Ich empfehle dringend eine gute Karte!
Ja, was kann man zum Hadrian’s Wall sagen? Eine sehr weite, sehr grüne Landschaft, absolute Stille, ab und zu ein paar Schafe (oder Wanderer) – wer hier nicht zur Ruhe kommt schafft das nirgendwo. Es hat etwas von einer Pilgerreise, haben uns auch einige Backpacker bestätigt, die den ganzen Weg gelaufen sind. Auf jeden Fall ist das einer der Orte, den ich noch einmal besuchen möchte.
Keswick, ca. 70 Meilen (7 Übernachtungen)
Von Hexham aus geht es nach Osten zum Lake District, Englands größtem Nationalpark. Mit mehr als 80 Seen auf über 2500 qkm, Bergen und malerischen Orten ist und war der Lake District einer der beliebtesten Urlaubsziele in England. In den letzten Jahren zieht er besonders alle Outdoorsport-Begeisterten an – dementsprechend findet man hier viele junge Leute, die wandern, klettern und Mountain Bike fahren.
Keswick am Derwentwater gelegen ist eine nette Kleinstadt und Ausgangspunkt für viele Touren und Wanderungen. Zum Essen (und Trinken) empfehlen wir das Pack Horse Inn, probiert auf jedem Fall Bier der kleinen Privatbrauereien, von denen es hier jede Menge gibt. Wenn man „3 for 1“ bestellt, kann man sich 3 verschiedene Biere aussuchen, von denen man jeweils ein kleines Glas bekommt, man zahlt dann den Preis für 1 Pint.
Unsere Ferienwohnung „The Beeches“ liegt oberhalb des Ortes. Und mit oberhalb meine ich oberhalb.
In den Bewertungen hat ein Besucher geschrieben, dass selbst seine 80jährige Mutter bequem in 20 Minuten bis Keswick spaziert wäre – What?? Also Berg runter, strammen Schrittes, kann man das schaffen, aber der Weg abends zurück war schon heftig. Die Wegbeschreibung dorthin klang abenteuerlich, zum Glück haben wir letztendlich den kleinen Weg gefunden, der sich durch den Wald schlängelt und schließlich in einem parkähnlichen Garten endet. Hier erwartet den Besucher die absolute Ruhe und der prächtigste Sternenhimmel, den ich jemals gesehen habe.
In der Nähe:
Derwentwater: The Queen of Lakes ist, unserer Meinung nach, einer der schönsten Seen im Lake District.
Man kann ihn zu Fuß umwandern oder eine Rundtour mit dem Boot machen. Die Ausflugsboote bieten auch Hop on and off an, soll heißen, man kann an einer beliebigen Stelle aussteigen, ein Stück wandern und an der nächsten Anlegestelle wieder einsteigen.
Am Anleger in Keswick tummeln sich die Touristen, ein Stückchen den Weg entlang ist man mehr oder weniger alleine. Der Wanderweg bietet wunderbare Aussicht auf den See und die Berge und ist nicht schwer zu laufen.
Castlerigg Stone Circle ist einer der größten prähistorischen Steinkreise in England. Hier war die Lage unserer Ferienwohnung wirklich vorteilhaft: den Waldweg entlang bis zur Straße und dann immer weiter hinauf liegt Castlerigg auf der rechten Seite.
Anders als in Stonehenge gibt es hier keine Touristenmassen und horrende Eintrittsgelder. Der Steinkreis liegt auf einem Feld und ist frei zugänglich. Man kann zwischen den Steinen spazieren, sie anfassen und sich daraufsetzen.
Wir waren bei nebligem, regnerischem Wetter ganz alleine dort, wer die Serie Outlander gesehen hat oder Diana Gabaldon gelesen hat, kann vielleicht verstehen, wie wir uns gefühlt haben.
Lake Buttermere liegt auf der anderen Seite des Honister Pass und ist unbedingt sehenswert, wobei die Fahrt dorthin nicht weniger spektakulär ist.
Der Honister Pass ist ein enger Gebirgspass, der sich bis auf 365m bergauf windet und dann steil abfällt. Um die Gegend besser genießen zu haben wir den Bus 77 vom Busbahnhof Keswick genommen.
Oben auf dem Pass liegt die Honister Slate Mine. Hier wird grüner Schiefer abgebaut und man kann sich die Mine ansehen, oder eine der „Adventure Tours“ buchen. Es gibt auch einen Shop und ein Cafe.
Unten im Tal angekommen, hält der Bus in der Nähe des „Fish Inn“, von hier führt ein Weg zum Buttermere Lake, dem idyllischsten aller Seen. Der Rundweg dauert 1,5 – 2 Stunden und ist traumhaft schön, am Ufer grasen Galloways und aus den umliegenden Bergen füttern kleine Wasserfälle den See. Nach der Wanderung ein Pint im Fish Inn und dann mit dem Bus zurück nach Keswick – was für ein wunderbarer Tag!
Das Borrowdale Valley erstreckt sich vom 977m hohen Scafell Pike bis zum Ufer des Derwent Water und gilt als eines der schönsten Täler am Lake District. Wir haben den Bus 78 von Keswick bis zur Grange Bridge genommen und sind dann, immer am Fluss entlang, bis Rosthwaite gelaufen. Auf der Rückfahrt haben wir den Busfahrer gebeten, am Zugang zum Bowder Stone zu halten.
Der Bowder Stone ist ein 2000 Tonnen schwerer Lavastein, der vor ca. 10.000 Jahren vom Bowder Crag gefallen ist. Man kann ihn über eine Leiter besteigen und hat einen tollen Blick ins Tal.
York, ca. 130 Meilen (3 Übernachtungen)
In der Nähe:
Auf dem Weg haben wir zwei Stopps eingelegt, die ich nur empfehlen kann (beide sind für York Pass Besitzer umsonst).
Rievaulx Abbey – hier haben wir überlegt, ob wir uns tatsächlich noch ein verfallenes Kloster „antun“ sollen. 1132 gegründet und 1538 unter Heinrich VIII aufgelöst, erfuhr Rievaulx im 18. und 19. Jahrhundert eine Renaissance als romantischer Hintergrund für Picknicks und Ausflüge und als beliebtes Motiv für Maler und Dichter der Romantik.
Rievaulx liegt versteckt hinter den Mauern eines Gebäudes, in dem der Ticketverkauf und ein kleines Museum ist. Dann geht die Tür auf und es stockt einem der Atem: die Ruinen des Klosters wirken wie aus einer anderen Welt oder die Kulisse eines Gruselschockers. Unbedingt besichtigen!
Castle Howard ist seit Jahrhunderten der Sitz der Dukes of Norfolk und eines der prächtigsten Schlösser in England. Architektur und Design sind spektakulär und stellen viele Schlösser der Queen in den Schatten.
Das Adelsgeschlecht der Howards war schon während der Tudor Zeit berühmt-berüchtigt: Thomas Howard, der 3. Duke of Norfolk, war der Onkel von Anne Boleyn und Catherine Howard, der zweiten und fünften Frau von Heinrich VIII; beide wurden hingerichtet. Mary Stuart sollte den 4. Duke von Norfolk heiraten und so den Katholizismus nach England zurückbringen und Queen Elisabeth I stürzen.
Den meisten ist Castle Howard wohl eher als Filmkulisse bekannt – hier wurden viele historische Serien und Filme gedreht, als letztes „Bridgerton“, eine der erfolgreichsten Netflix Serien.
Man kann das Schloss besichtigen und auch die Gärten, beides wunderbar. Das Aufsichtspersonal ist sehr auskunftsfreudig, wir waren kurz vor Ende der Öffnungszeit dort und haben sozusagen eine Privatführung bekommen. Lohnt sich!
York ist meine Lieblingsstadt – alt und modern, ruhig und quirlig, voller Geschichte, mit urigen Pubs und tollen Geschäften. Ich empfehle unbedingt den York Pass, so dass man möglichst viele der Attraktionen sehen kann.
Es gibt jede Menge Unterkünfte, das große Problem ist das Parken. Wir haben außerhalb der Stadtmauern im Burton Stone Inn gewohnt.
Von hier läuft man 5-10 Minuten ins Zentrum und es gibt einen großen Gästeparkplatz. Michal, der Besitzer ist super freundlich und bemüht, alle Wünsche zu erfüllen. Da wir die Nachtfähre gebucht hatten, war es für uns ein großes Glück, dass wir unser Auto am Abreisetag bis zum Nachmittag dort parken durften.
Was gibt es in York zu sehen? Alles, würde Chuck Norris sagen: die Stadt selbst mit seinen Plätzen und verwinkelten Gassen, der Stadtmauer und der Kathedrale, den Plätzen und Märkten, dem River Ouse und den Geschäften.
York Attractions
Zur besseren Orientierung empfehle ich den Hop-on / Hop-off Bus. Da der Bus an allen Sehenswürdigkeiten hält, kann man sich während der Fahrt schon einen Plan machen, was man am besten wann besichtigt. Ein Tagesticket kostet ca. 18,00€, für York Pass Besitzer ist die Fahrt umsonst.
Wie gesagt, gibt es sehr viel zu sehen, und wenn man, wie wir, nur 2,5 Tage zur Verfügung hat, muss man sich je nach Geschmack und Interessen entscheiden.
Eine Sehenswürdigkeit der ganz besonderen Art ist der Cold War Bunker, der von 1961 – 1991 im Falle eines Atomkrieges dazu dienen sollte, nukleare Explosionen und Fallout aufzuzeichnen und die Bevölkerung zu warnen. Der Bunker war mit einer Gruppe von ca. 60 Freiwilligen bemannt, die hier bis zu 30 Tagen hätte überleben können.
Die Touren führen durch das Bunkersystem mit allen Schalt-, Sozial- und Entkontaminierungsräumen, und der Tourguide erzählt sehr anschaulich über Leben und Arbeit im Bunker. Ein ganz außergewöhnliches und etwas furchteinflößendes Erlebnis. Geführte Touren gibt es stündlich, ohne Führung ist der Zutritt untersagt.
York’s Chocolate Story: Während der Norden Englands eher für Kohle, Wolle und Stahl steht, gründet sich Yorks Reichtum auf Schokolade. Firmen wir Rowntree, Terry und Craven zählten zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Hier wurde die Schokolade, wie wir sie kennen, erfunden, genau so wie KitKat, Smarties etc.
In der York Chocolate Story reist man durch die Zeit. Von der Entdeckung der Kakaobohne in Mexiko, über die Erfindung der Trinkschokolade in York bis zur modernen Schokoladenproduktion werden alle Sinne angesprochen. Es gibt viel zu sehen, hören, riechen und vor allem schmecken. Am Ende der Tour kreiert man seine eigene Schokolade, die man mitnehmen darf (hält aber nicht lange).
York Dungeon erzählt die dunkle und grausige Geschichte von York, Wikingerüberfälle, Guy Fawkes, Folterkammern, sehr gruselig und extrem lustig. Alle Besucher müssen mitmachen, mein Freund Hans-Georg war (zu seinem Leidwesen) auf Grund seines Namens besonders beliebt „… Well, what a good Saxon name – Hans-Georg step forward!”
Die Merchant Adventurer’s Hall, gebaut 1357, wird heute noch von “The Company of Merchant Adventurers of the City of York” genutzt. Ich bewundere immer wieder, wie sehr die Engländer Geschichte lieben und bewahren – einfach mal auf sich einwirken lassen.
Jorvik Viking Centre: an den Wikingern kommt man in York (Jorvik) nicht vorbei. Als Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs war York über 100 Jahre unter Herrschaft der dänischen Wikinger. Im Jorvik Viking Centre kann man alte Ausgrabungen sehen und man fährt mit einer Art Zeitkapsel durch ein Wikingerdorf. Eigentlich ist es eher was für Kinder, uns hat es aber auch gefallen.
The Shambles ist eine der ältesten Straßen in York, mit überhängenden Fachwerkhäusern aus dem 14. Jahrhundert.
The Shambles diente als Vorlage für Harry Potters Diagon Alley (Winkelgasse) und ist dementsprechend bei Fans aus aller Welt sehr beliebt.
Shop in Shambles Vorlage für Harry Potters Diagon Alley
Ich könnte noch seitenweise über York schreiben, über die Kathedrale, die Ausstellungen zu Richard III und Henry VII in den Stadttoren, Rundfahrten auf dem River Ouse und, und, und. Den Zauber dieser Stadt muss man selbst erleben. Als wir eines Abends nach Hause bummelten, hörten wir Livemusik aus einem Pub und gingen hinein. Beim Rauchen vor der Tür sah ich ein kleines Schild an der Hauswand: „Guy Fawkes – Gunpowder Plot Conspirator – born here 1570“.